Böhm-Chronik





Gemälde Langwaltersdorf mit Storchberg
Vorn: Rückansicht des Gasthofes "Zur Stadt Wien"

Gasthof "Zur Stadt Wien"

Im Besitz der Familien Böhm und Martin von ca.1870 - 1902

Langwaltersdorf in den 30iger Jahren
Vordergrund: Rückansicht der "Stadt Wien"
von links Tanzsaal, Wohnhaus, Ställe.
Bildmitte: ehemaliger Martin-Hof
Auszug aus der Dorf-Chronik: "Haus Nr. 128. Letzter Besitzer (1945) Carl Höhn, Gasthof "Zur Stadt Wien". Großes Wohnhaus mit Gastzimmern, Wohnungen und großem Tanzsaal. Das Gasthaus ist Anfang der 1860iger Jahre und der Tanzsaal Ende der 1870iger Jahre erbaut worden. Rechtwinklig zu dem Wohnhaus stand das Wirtschaftsgebäude mit Rind- und Pferdeställen, sowie neuer Scheune. Zur Landwirtschaft gehörten etwa 40 Morgen Feld, meist von parzellierten Bauernhöfen. Das Anwesen war in alten Zeiten ein Drittel-Bauerngut und hatte die Urb.Nr.27. Es war auch als Großgarten bezeichnet und war 1690 ein George Stenzel darin, welcher es vom benachbarten Bauerngut Nr.28 abgezweigt hatte. 1770 war Johann Gottlieb Keller darin. Vorher gehörte es auch zu den Besitzungen des berühmten George Schäl (Anmerkung: meiner Mutters mütterlichen Linie). Vor Carl Höhn war dessen Schwiegervater Julius Gillner darin, welcher es etwa 1902 erwarb." Meine Urgroßmutter Auguste Pauline Martin hielt die Hypothek, welche nach dem 1.Weltkrieg wertlos wurde. Vorher gehörte es meinem Urgroßvater Johann Karl Wilhelm Böhm (*27.Februar 1841 in Hermsdorf, Kreis Waldenburg) und +25.April 1892 in Langwalterdorf, verheiratet mit Auguste Mathilde Neigenfind (*16.Mai 1842 in Hartmannsdorf, Kreis Landeshut).


"Stadt Wien" in den 1930iger Jahren
Wohnhaus im Mai 2000
nach knapp 140 Jahren
immernoch bewohnbar
ehemaliger Tanzsaal
jetzt Lagerraum

Gasthof "Zur Stadt Wien" um 1900
Gasthof "Zur Stadt Wien" um 1900




Gleiche Anzeige wie 3. von links, am 7.1.1888 und 11.2.1888

Knappenverein

28.Juni 1890



Zwangsversteigerung
6.April 1892
August Wilhelm Martin, der spätere Schwiegervater von Paul Erdmann Böhm,
gab ein Hypothekendarlehen und so konnte der Besitz gerettet werden



Wilhelm Böhm
Todesanzeige
27.April 1892


Anzeigen aus dem Waldenburger Wochenblatt


Langwaltersdorf lag an der Landstraße vom aufstrebenden industriellen Waldenburg über Friedland nach Braunau (Böhmen). In der "Stadt Wien" übernachteten viele Fuhrleute mit ihren Gespannen. Die Kutscher schliefen mit ihren Pferden in den Ställen, die Reisenden in den Zimmern im großen Wohnhaus. Mein Großvater Paul Erdmann Böhm (1870-1926) war Sattler. Er erlernte vermutlich das Handwerk bei Reparaturen der Gespanne, die in dem elterlichen Gasthof übernachteten. Er heiratete (1895?) Ernestine Martin (*1877), Tochter des gegenüberliegenden Bauerngutbesitzers.

Zur Zeit des Sozialistengesetzes vom 21.Okt.1878 (Verbot der organisierten Arbeiterbewegung durch Bismarck von 1878 bis 1890) versammelten sich in der "Stadt Wien" 1889 verbotene Arbeitervereine aus Waldenburg, als Kaninchenzüchter getarnt. Mein Urgroßvater Johann Karl Wilhelm Böhm wurde daraufhin angezeigt (gemäß Par. 18 und 23?). Entweder er verlor die Konzession oder er wurde von der Bevölkerung boikottiert. Es gab deshalb einen Bruch mit der Hermsdorfer Verwandtschaft. Unser Zweig der Familie verarmte. Urgroßvater starb 1892. Danach versuchte meine Urgroßmutter das Geschäft weiterzuführen, jedoch ohne Erfolg. Mein Großvater war anscheinend noch zu jung, um mit rauhen Fuhrleuten umgehen zu können. Er kam über den Verlust der "Stadt Wien" nicht hinweg und begann zu trinken. Großvater zog 1902 oder 1903 mit seiner Frau und Kindern (Tochter Ida *1896 und Sohn Fritz *1900) nach Glogau als selbständiger Sattlermeister. Sein Onkel 2.Grades, Rittmeister Gustav Böhm, "von der Hermsdorfer Verwandtschaft", wie Vater immer sagte, gab meinem Großvater jedoch ein Empfehlungsschreiben für die Militäreinheiten der Garnisionsstadt Glogau, um dort für diese Einheiten das Sattlerhandwerk betreiben zu können. Er reparierte Geschirrzeug für die Kavallerie und für die Pferdehaltung überhaupt. Als dann die Motorisierung vor allem im Militär fortschritt, ging das Sattlergeschäft zwangsläufig zurück. Großvater starb 1926 in Glogau und Großmutter zog zu ihrer Tochter (meine Tante Ida Grubich geb. Böhm) nach Liegnitz, wo sie 1931 starb.

Schöffensitzung vom 23.November 1883:
Als Schöffen fungirten die Herren Oberförster Schmidt und Bauerngutsbesitzer John aus Langwaltersdorf.
-- Der frühere [jetzt verpachtet?] Gasthofbesitzer Wilh. Böhm aus Langwaltersdorf war beschuldigt, den dortigen Amtsvorsteher in einem Schreiben beleidigt zu haben und wurde dafür zu 10 Mark Geldbuße und zur Tragung der Kosten verurtheilt. --
Quelle: "Friedländer Wochenblatt" No. 95 vom 28.November 1883
Landes-Adressbuch Niederschlesien 1927 (Gewerbe)



Gasthof "Stadt Wien" (Familienbesitz bis 1902)
Foto: Okt. 2002
Wohnhaus Martin-Hof
(Familienbesitz bis 1900)

Mein Urgroßvater grossmütterlicherseits August Wilhelm Martin (1835-1897) muß ein tüchtiger Landwirt gewesen sein. Seine Landwirtschaft lag gegenüber der "Stadt Wien". Man sagte mir, daß er im 'guten Zimmer', wo man nur sonntags und feiertags hineinghen durfte, an der Wand Bilder von Auszeichnungen von Ausstellungen seiner Rinder und Pferde hatte. Er gab als Hochzeitsgeschenk für seine zwei Töchter je einen Hypothekenbrief in Goldmark, der älteste Sohn erhielt den Hof, der andere in Alt-Lässig eine Fleischerei, eingerichtet mit Fleisch als Betriebskapital. Urgroßvater Martin starb 1897. Sein Sohn Heinrich Martin heiratete eine zu junge Frau aus der Stadt und verkaufte das Gut 1900 an August Hoffmann (Verwandtschaft von seiner Grossmutter). Ewald Seeliger kaufte das Bauerngut 1928. Seeliger wurde 1935 Bürgermeister. Im Oktober 2001 brannte das Dach der grossen Scheune ab, welches inzwischen erneuert wurde.


Martin-Hof (Familienbesitz bis 1900)

Foto: Okt. 2002

Martin-Hof

Foto: Okt. 2002


Martin-Hof Felder






Quellen:
Festenberg-Packisch, s.Nr.42; S.95ff.: Bergarbeiterstreik 13.Mai 1889, der acht Tage dauerte. 93 Streikende wurden wegen Landfriedensbruch bestraft.

Chronik. Aus vergangenen Zeiten unseres lieben Heimatdorfes Langwaltersdorf (170 Seiten).
Zusammengetragen von Ernst Wirth, früher Bauer und Amtsvorsteher in Langwaltersdorf
(Anmerkung: Mein Grossonkel 2.Grades, Martin-Linie).

"Friedländer Wochenblatt" No. 95 vom 28.November 1883

Informationen und Fotos von Heinz Gottschling. Urenkel des Nachbesitzers des Gasthofes "Zur Stadt Wien". Gillner/Höhn/Gottschling von 1902-1945.

Informationen von Werner Seeliger. Sohn des letzten Nachbesitzers des Martin/Hoffmann Gutes von 1928-1945 und letzten Bürgermeisters von Langwaltersdorf.

Informationen und Fotos von Helmut Nitzsche (1929-2012), Heimatschreiber.

Informationen von Karl Schwarz (1918-2005). Mein Onkel, Sohn meiner Grossmutters Schwester (Martin-Linie) und langjähriger Sippenältester.

Fotos von Andreas Richter, Walbrzych (Waldenburg)

Aus privater Familien-Sammlung

Landes-Adressbuch Niederschlesien 1927 (Gewerbe); Page 307, Seite 240:
Böhm, Paul; Sattlermeister, Glogau, Mälzstr. 25

Anzeigen aus dem "Waldenburger Wochenblatt"


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