Böhm-Chronik



Die Ausweisung 1948

Beitrag von Guenter Boehm (Jahrgang 1939)

Wir wurden im Sommer 1948 mit zwei weiteren Bergarbeiterfamilien von Friedland, Kreis Waldenburg, ausgewiesen. Am Güterbahnhof stand ein Viehwaggon, in dem alle ihr bischen Hab und Gut in Rucksäcken, Kartoffelsäcken und Taschen verstauten. Ich kann mich erinnern, mein Vater hatte wohl schon Monate vorher von einem Bekannten zwei Holzachsen mit Holzrädern - wie im Mittelalter - anfertigen lassen. Diese waren nun an einer Zinkbadewanne angebracht, vollgepackt mit Federbetten und anderen Sachen. Vater sagte noch, bis zum Bahnhof werden die Räder wohl halten. Handwagen und Kinderwagen gab es keine mehr. "Richtige Räder" offensichtlich auch nicht. Das hatte man alles bei der Flucht und bei den ersten Vertreibungen benötigt.


Wir wurden nach Waldenburg-Dittersbach verfrachtet. In Waldenburg-Altwasser kamen wir in eine Schule als Sammelstelle. Unheimlich viele Menschen. Jeder mit seinen Sachen, die er gerade schleppen konnte. Ich kann mir heute vorstellen, dass keiner eine blasse Ahnung hatte, in welche Gegend (Besatzungszone) es ginge. Von Waldenburg aus waren wir im Waggon Nr. 31 voller Menschen mit ihren Habseeligkeiten und das war nicht der letzte Waggon des Zuges. Es waren sicherlich um die 50 Waggons. Als Neunjähriger hatte ich es besonders gut. Ich durfte auf einem Haufen von Säcken voller Schuhe sitzen und oben durch das kleine vergitterte Fenster schauen. Die Ausreise aus Waldenburg war am 17.Juli 1948.


Unser Aufnahmelager 1948 in Löbau
(Ansichtskarte von 1935)

Tor vom Lager zur Stadt
(Ansichtskarte von 1938)

An diese Baracken kann ich mich noch gut erinnern
(Ansichtskarte von 1938)

In Löbau (Lausitz) kamen wir in ein Aufnahmelager. Es muss wohl eine ehemalige Kaserne gewesen sein. Vater nahm mich manchmal mit zu einem schwarzen Brett, wo Listen aushingen, auf denen stand, wohin jeder einzelne zugewiesen wurde. Mein Vater wollte gern ins Ruhrgebiet in die britische Zone, weil wir dort Verwandte hatten, einschliesslich mein älterer Bruder. Sie wurden 1946 von Friedland ausgewiesen. Alle Bemühungen waren erfolglos. Wir kamen nach Oelsnitz/Erzgebirge, ins sächsische Bergbaugebiet. Wir und viele andere wurde nicht mit offenen Armen empfangen. Als wir dort ankamen, wurden drei oder vier Familien auf einen Lastwagen verfrachtet und auf der Strasse vor den Häusern - nicht etwa im Hof - abgesetzt. Die Hausbesitzer nahmen uns aber nicht auf. Wir lagen nun den ganzen Tag mit unseren Säcken und unserer Zinkbadewanne auf dem Bürgersteig. Sicherlich sahen wir nicht gerade sehr sauber aus, denn, die meisten Leute machten einen grossen Bogen um uns. Vater musste abends die Polizei holen und erst dann bekamen wir ein Zimmer. Auch dieser Anfang war schwer.

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