Böhm-Chronik



Der Todesmarsch von KZ-Häftlingen durch Friedland

Beitrag von Herbert Boehm (Jahrgang 1929)



Der Todesmarsch von KZ-Häftlingen durch Friedland

Wenn ich jetzt im März 2003 für die Forschungsarbeiten meines Bruders und für unsere Nachkommen ein trauriges Erlebnis im Frühjahr 1945, also kurz vor dem Ende des 2. Weltkrieges, schriftlich festhalte so ist leider der Zeitpunkt nicht mehr genau zu erfassen.

Es könnte im Januar 1945 vor meiner Einberufung in das Wehrertüchtigungslager gewesen sein. Dagegen spricht jedoch, daß auf den Straßen nach meiner Erinnerung kein Schnee lag. Für unser Waldenburger Bergland ungewöhnlich. Oder, war es im März 1945 ?

Ich wurde damals vom Wehrertüchtigungslager von Waldenburg nach Polsnitz verlegt und war aus diesem Anlaß noch ca. ein bis zwei Wochen in Friedland. Im April 1945 kann es nicht gewesen sein, weil dann mein Freund Hans Weich (Jahrgang 1930) - ein wichtiger Zeitzeuge - nicht mehr beim Bauern in Rosenau im Pflichtjahr war. Dieses endete für ihn am 31.März 1945, danach nahm er meinen Platz als Banklehrling ein.

Ich war als Lehrling in der Volksbank in Friedland. Es war sehr ruhig und auf einmal hörte ich auf der Schweidnitzer Straße das Marschieren einer großen Kolonne. Das klappern der Holzschuhe der Häftlinge auf den Pflastersteinen höre ich heute noch. Der Bankvorsteher, Herr Oskar Breuer, hattes es auch gehört und rief mich auf den kleinen Balkon. Wir sahen eine große Anzahl von KZ-Häftlingen in ihrer blau-grau gestreiften Kleidung an uns vorüber ziehen. Die ersten Reihen - ca. 8-10 Häftlinge in einer Reihe - gingen forsch mit hocherhobenen Köpfen. Das ist mir damals besonders aufgefallen. Aber je länger die Kolonne wurde, desto erschreckender wurde der Zustand der Häftlinge. Etwa das letzte Drittel schleppte sich mühsam dahin. Manche hatten Mithäftlinge untergehakt. Andere hatten Kameraden in die Mitte genommen. Es war ein bedauernswerter Anblick. Herr Breuer sah mich lange an, er sprach kein Wort, schüttelte nur mit dem Kopf und ging in sein Büro. Ich war bestürzt und erschüttert.

Mein Freund Hans Weich erzählte mir später, daß er ab Rosenau mit dem Pferdegespann hinter der Kolonne fahren mußte. Die Häftlinge, die nicht mehr weiter konnten und sich in den Straßengraben legten, wurden erschossen und auf den Pferdewagen gelegt. Die Leichen wurden dann in einer Kalkgrube (?) verscharrt. Einige Dörfer weiter wurde ein anderes Gespann dazu bestimmt und Hans konnte nach Rosenau zurückfahren.

Von Rosenau geht die Straße über Raspenau nach Schömberg und Trautenau (CSR).


Anmerkung
von Edgar Franz Ludewig (*1932, hat von 1940 bis zur Vertreibung 1946 in Raspenau gelebt):

Ich war von Raspenau aus mit dem Fahrrad nach Friedland unterwegs, als mir diese ( ? ) Kolonne entgegen kam. In der Höhe Altes Zollhaus, Ecke Merkelsdorfer Str/Rosenauer Str. lag ein Häftling auf einem Schotterhaufen, da er nicht mehr weiter konnte. Ein Soldat (SS?), der ein Gewehr auf den Häftling richtete, sagte mir "ich solle gefälligst weiterfahren, das hier wäre nichts für mich". Auf der Rückfahrt war aber nichts mehr zu sehen. Auch kann ich mich nicht erinnern einen Schuss gehört zu haben.

Ich bin mir allerdings sicher, daß es relativ warm gewesen ist und definitiv kein Schnee lag. Das weiss ich so genau, da die Flüchtlingtrecks, die im Januar/Februar aus dem Osten durchkamen, im tiefen Schnee unterwegs gewesen sind. Meiner Meinung nach müsste es mindestens März, wenn nicht schon April gewesen sein, weiss es aber nicht genau!

Zur Route habe ich in Erinnerung, zumindest ein Treck ist von Rosenau weiter nach Raspenau und dann über die Adolf-Hitler-Bergstrasse nach Schömberg gezogen. Man hörte wohl auch später, daß vor Schömberg ein Häftling erschossen worden ist.


Anmerkung zum Wetter:
Aus einem Bericht zur Stadtgeschichte von Brieg ist zu entnehmen, das am 1.Februar 1945 schlagartig Tauwetter einsetzte und es davor bitter kalt war.


Informationen zum Arbeitslager Friedland/Niederschlesien 1944/1945
Von Hermann F. Weiss, University of Michigan (Ann Arbor, Michigan/USA)

Weitere Informationen von Zeitzeugen bitte an Guenter Boehm, E-mail siehe HP






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