Böhm-Chronik



Erinnerungen an Weihnachten 1946

Beitrag von Guenter Boehm (Jahrgang 1939)

Es war Weihnachten 1946, ich war sieben Jahre alt. Nur noch ein paar deutsche Familien waren in Friedland zurückgeblieben. Die anderen waren gleich nach dem Krieg geflüchtet oder vertrieben worden, sogar mein 16-jähriger Bruder wurde mit unserer Tante nach dem Westen ausgewiesen. Mein Vater war in seiner Arbeit im Bergbau noch unersetzlich und durfte nicht gehen. Deswegen wurden wir erst 1948 "umgesiedelt".

Zum Heiligen Abend waren wir zu einer anderen deutschen Familie (Max und Hedwig Schurm) eingeladen worden. Sie wohnten auf der anderen Seite des Städtchens. Viel Schnee lag auf der Strasse und es war schon dunkel. Als wir am Rathaus vorbeigehen wollten, kam uns plötzlich polnische Miliz entgegen. Sie schrien uns an, wir sollten uns auf die Erde legen. Da lag ich im Schnee, zwischen meinen Eltern, mit meinem schönen Holzpferd, das ich kurz vorher vom Christkind bekommen hatte. Nachdem sie meinem Vater einige Fragen gestellt hatten, durften meine Mutter und ich aufstehen und wir sollten zurück nach Hause gehen. Als mein Vater, noch im Schnee liegend, mühsam aus seiner Manteltasche uns den großen Haustürschlüssel geben wollte, hätte einer der Milizleute ihn beinahe noch erschossen, da sie dachten, mein Vater hätte vielleicht eine Pistole in der Tasche. Dann wurde mein Vater abgeführt. Diese Nacht konnten wir nicht schlafen. Ich lag nun da, mit meinem Holzpferd, von dem ich immer noch dachte, es sei mein schönsten Weihnachtsgeschenk. Die ganze Nacht war ich in Angst und Bange um meinen Vater und als ich ihn am nächsten Morgen zurückkommen sah, wußte ich, daß mein Holzpferd doch nicht mein bestes Weihnachtsgeschenk war.

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