Bericht: November 2006 im Hochland von Jalisco (Altos de Jalisco)
Ein Blick über den Zaun. Eine Mitteilung an deutsche Familienforscher.
von Guenter Boehm
Wir waren zum einjährigen Jahrestag der Seligsprechung von Anacleto Gonzalez
Flores (Grossonkel meiner Frau, mütterlicherseits) in Mexiko. Anacleto
Gonzalez Flores (* 1888 in Tepatitlan) war Rechtsanwalt und Führer der
erzkonservativen Cristero-Bewegung (Konterrevolution) im Staate Jalisco. Man
beachte, die Seligsprechung durch Papst Benedikt XVI. erfolgte ausgerechnet
am Feiertage der Mexikanische Revolution (20.November 2005). Im Jahre 1927
wurde Anacleto Gonzalez Flores zusammen mit zwei Gefolgsleuten von den
Truppen der mexikanischen Regierung des liberalen Presidenten Calles
gefoltert und dann erschossen. Der Riss der Weltanschauung liberal bzw.
konservativ spaltete die eigene Familie meiner Frau.
Durch diese geschichtlichen Ereignisse erschienen in Mexiko u.a. viele
familienkundliche Bücher. Die Region "Altos de Jalisco" (Hochland von
Jalisco) um Tepatitlán wurde bereits um 1550 von 117 Familien aus Spanien
kolonisiert - per encomienda, ähnlich dem deutschen Lehnwesen. Die ersten
250 Jahre blieb man unter sich; man vermischte sich nicht mit der
einheimischen Bevölkerung, nämlich den mexikanischen Indianern, den Juden
oder sonstigen Ketzern (Protestanten). Erst in der Zeit der
Unabhängigkeitsbewegung (1800-1821) lockerte sich die Gesellschaft etwas
auf, und nach der Revolution (1910-1920) war die Mexikanisierung so gut wie
abgeschlossen, trotzdem war die Bindung zur katholischen Kirche in Jalisco
durch obige Regionalgeschichte besonders ausgeprägt und daher die
Konterrevolution auch besonders sichtbar. Erwähnungswert ist, dass nach der
Unabhängigkeit von Spanien per Dekret der Republik Mexiko jegliche
öffentliche Erinnerungen an Spanien an öffentlichen Gebäuden, wie auch
Familienwappen an den Häusern, untersagt wurde zu führen und mussten
entfernt werden.
Es ist erstaunlich, welche reichhaltigen Unterlagen von solch einer
homogenen Gruppe, wie diese 117 spanischen Familien für den
Familienforscher vorhanden sind. In der Tat eine Goldgrube. Gute Kontakte zu
regionalen Heimatforschern sind unumgänglich.
Zum Beispiel:
a) Umfangreiche Volkszählung von 1770 der Gruppe der spanischen Siedler.
Familien in Tepatitlán, in den Ranchos und Haciendas. Im spanischen
Namensrecht ist jeweils der zweite Familienname in der Regel der FN der
Mutter. Dies erleichtert die Forschung.
b) "Retoños de España en la Nueva Galicia" Studien über die Geschichte,
Anthropologie, Genealogie und Biografie der spanischen Bevölkerung in der
östliche Zone von Nueva Galicia (heute Jalisco), seit der ersten Besiedelung
der Region bis zum heutigen Tage, in 8 Bänden.
Sehr viel mehr Informationen als bei individuellen Auswanderern, die sich
einer neuen Umwelt schnell anpassen mussten und dabei viel an
Familiengeschichtsdaten verloren ging.
Wie schon gesagt, nur ein Blick über den Zaun. Ich empfinde, durch Familiengeschichte wird Geschichte überhaupt menschlicher und verständlicher.