Böhm-Chronik




Auszüge aus der Chronik von Hermsdorf

von Artur Bänsch
vermutlich vor 1933



"Im Jahre 1701 bestätigte Ernst Heinrich von Czettritz den Hermsdorfer Bauern eine schon früher [1604 durch Dipprand v. Czettritz; sowie 1658 durch Heinrich v. Czettritz] gegebene Kohlordnung, in der es heißt, daß das von allen Zeiten genossene Kohlurbar, auf sämbtliche Bauerschaft ihre erb- und nachkommende Besitzer ihrer Gütter bey denselben zu allen-ewigen Zeiten gerichtlich ungeirrt verbleiben soll". Quellen: Schöppenbuch 1687-1758 und Häufler, 1931, Geschichte der Grundherrschaft Waldenburg-Neuhaus.

Eine urkundliche Bestätigung, daß damals bereits Stollen getrieben wurden, liegt aus dem Jahre 1722 vor.

In ihrer Not griffen die Bauern wieder auf den Kohlenabbau, der durch den 1. schlesischen Krieg (1740-1742) eine kurze Unterbrechung erfahren hatte, zurück.... Zwei Kohlenabrechnungen geben uns Aufschluß über den Umfang des Abbaus. Von Juni 1742 bis Juni 1743 wurden aus den Hermsdorfer Gruben 832 Fuder Kohle zu Tage gefördert, sodaß auf den Tag etwa 2-4 Fuder kommen.

Besonders der Kohlenabbau wurde wieder in vollem Umfange aufgenommen. Da dieser einen beträchtlichen Gewinn abwarf, so waren die Wunden, die der Krieg geschlagen hatte, bald wieder geheilt. Schon wenige Jahre nach dem Dresdener Frieden (25.Dezember 1745) können wir in unserem Orte einen, wenn auch nicht reichen, so doch wohlhabenden Bauernstand feststellen. Die Zahl der Bauernstellen hatte sich in letzter Zeit so gut wie gar nicht geändert. Zu jedem Gute gehörte ein bestimmter Anteil an den Kohlengruben, der schon damals mit "Kux" bezeichnet wird.

Da die alten Schächte bald nicht mehr genügend Ertrag brachten, wurden neue angelegt. So begann man 1750 bzw. 1752 mit der Ausbeutung der Glückhilf-(*) und Friedenshoffnunggrube.

Den Kohlenbergbau versuchte man (nach dem 3.schlesischen Krieg, 1756-1763) auch wieder in Gang zu bringen, doch standen die Schächte unter Wasser. Zur Ausziehung desselben war aber ein Erbstollen notwendig, der 500 Taler kosten sollte.

Da erschien am 5. Juni 1769 die neue schlesische Bergordnung, deren Hauptpunkt darin bestand, daß das Abbaurecht als Regal des Staates erklärt wird. Neu war das Vorbaurecht, das den Grundherren eingeräumt, durch die Deklaration vom 1. Februar 1790 aber in ein Mitbaurecht des Grundbesitzers umgewandelt wurde. Somit hatte jeder das Recht, auf fremden Grund und Boden zu schürfen und die gefundenen, dem Bergregal als Mineralien unterworfenen Kohlen zu muten und deren Verleihung zu begehren. Vor der Verleihung mußte aber dem Grundbesitzer, auf dessen Besitz die Fundgrube lag, das Mitbaurecht angeboten werden. Ebenso mußte dieser mit der Hälfte der Kuxe in die Gewerkschaft aufgenommen werden.

Auf Veranlassung der Bergordnung wurde die Knappschaftskasse eingerichtet, deren Einnahmen aus den für sie bestimmten Kuxen und den Mitgliederbeiträgen kamen. Dafür gewährten sie Krankengeld, gab einen Gnadenlohn an Witwen und Kinder und bezahlte das Begräbnis der zu Tode verunglückten Knappen.

Friedrich der Große hielt es außerdem erforderlich, einen tüchtigen Stamm von Bergleuten als Grundlage für unseren Bergbau zu schaffen. Da in Schlesien nur wenige hierfür in Betracht kamen, so war es unerläßlich, aus anderen Provinzen brauchbare Bergleute und tüchtige Steiger zu holen. Dieses Unternehmen konnte jedoch nur dann gelingen, wenn man ihnen die Existenz in unserer Heimat angenehmer, als in ihrem bisherigen Wohnort gestaltete.

Es wurden alsbald Mansfelder Bergleute in unserer Gegend angesiedelt.


"Das General-Privilegium versicherte diesen Berg- und Hüttenleuten:
1. Diese Benennung, sobald sie vor der Bergbehörde den Eid der Treue und des Gehorsams abgelegt, auch sich in das Knappschaftsregister haben eintragen lassen, und gewährte ihnen für sich und ihre Nachkommen das freie Niederlassungsrecht.
2. ihnen und ihren Söhnen - solange die Väter bei dem Bergbau verblieben - Freiheit vom Militär-Enrollement.
3. Befreiung von der Erbuntertänigkeit, solange sie bei dem Bergbau verblieben bzw. wegen Bergfertigkeit davon abkehren mußten.
4. Befreiung von allen Kommunallasten.
5. forum privilegatum bei dem Oberbergamte in allen Bergwerkssachen und in Streitigkeiten der Bergleute unter sich;
6. das Recht, nach vorhergehender Anzeige bei dem Oberbergamte, frei zu schürfen und Lehnschaften zu errichten;
8. Krankenlohn auf 8 Wochen bei einer Ausbeute-, auf 4 Wochen bei einer Zubuß-Zeche;
9. Aufnahme in das Knappschafts-Institut und zwei denselben freistehende Kuxe;
10. zehn Pfennig Zehrungsgeld für wandernde Bergleute." (Festenberg-Packisch: Die Entwicklung des niederschlesichen Steinkohlenbergbaus)

So war mit einem Male aus dem unbeachtet gebliebenen Stand ein gar begehrter Bergarbeiterstand geworden. Es ist ganz erklärlich, daß sich von jetzt ab die Dorfbewohner zum Bergbau drängten, denn dort waren sie ja, wie wir es oben sehen, viel freier und brauchten fast keine Abgaben zu entrichten. Vor allem traten die Freigärtner, die sich noch nicht recht von den Schäden des siebenjährigen Krieges (1756-1763) erholt hatten, in den Bergmannsstand ein.

Wenn auch ein Teil der Bewohner vom Bergbau lebte, so war doch der Haupterwerb immer noch der Ackerbau. Hermsdorf scheint damals, wie uns Zeitberichte sagen, ein ganz lieblicher Ort gewesen zu sein. In diesem ländlichen Zustande blieb Hermsdorf bis in die 50er Jahre. Erst 1844, als die Bahn Breslau - Freiburg dem Verkehr übergeben wurde, trat hier eine Wandlung ein.

Da die Hermsdorfer Bauern an dem Gewinn der Gruben beteiligt waren, so wuchs natürlich mit diesem Aufschwung der Förderung auch das Reichtum. Das Dorf bekam mit der Zeit ein ganz verändertes Aussehen. Bisher waren die Häuser meist klein und häßlich gewesen. Nun aber trat hierin eine Wandlung ein. An Stelle der alten Hütten traten nunmehr stattliche massive Häuser. Ich brauche nur auf das Gebäude des Gutsbesitzers Böhm (genannt Millionen-Böhm) hinweisen. Ja die Bauern leisteten sich auch jetzt manchen Luxus.

Im Jahre 1876 wurde das Postamt nach dem Hause des Bäckermeisters Altmann (heute Pätzold Bäcker) verlegt. Dort wurde auch eine Telegrafenstation angelegt. Sechs Jahre später wurde das Postamt nach dem Hause des Gutsbesitzers Scholz (Lilgehaus) verlegt, von wo es 1891 nach der Scheuer des Freistellenbesitzers Böhm umsiedelte.

Der große Wohnungsmangel, der vor dem Kriege (1.Weltkrieg) schon bedenklich Formen angenommen hatte, nahm immer mehr zu. Angesichts dieser Not beschloß die Gemeinde in Vereinigung mit der Glückhilf-Friedenshoffnunggrube an der Lösung eines Siedlungsplanes heranzutreten. Durch den Ankauf des Böhm-Gutes sowie durch den Erwerb von Ackergelände aus dem Eigentum des Gutsbezirkes stand der Gemeinde ein etwa 30 Morgen großes grubensicheres Gelände zur Verfügung.

Die Wahl zur deutschen Nationalversammlung vom 19.Januar 1919 hatte in unserem Ort etwa folgendes Ergebnis:
von 5 651 Wahlberechtigten beteiligten sich 5 399 an der Wahl; es wurden abgegeben für
die Sozialdemokratische Partei 3 850 Stimmen,
das Zentrum (katholische Volkspartei) 649,
die deutschdemokratische Partei (parlamentarische Volkspartei) 514 und für
die nationale Volkspartei (konservativ) 383 Stimmen.

An dieser Stelle möchte ich noch auf einen stummen Zeugen der Zeit hinweisen, die in dieser Chronik beschrieben wurde. Es ist die alte Eibe am Hange der Böhm-Lehne. Das Alter dieses Baumes schätzt Professor Schube auf etwa 750 Jahre, wonach anzunehmen ist, daß einer der ersten Siedler unseres Ortes diese Eibe gepflanzt hat.

Flurname: Im Volksmunde ist die "Böhm-Lehne"
sowie das "Pekinghaus" Böhm-Straße, zur Zeit des Boxeraufstandes gebaut, bekannt.

Anmerkung:
(*) Beide Böhm-Familien, spätere Tannhausener sowie unsere direkte Linie, waren in der Glückhilfgrube Kuxeninhaber.



Lageplan Böhm-Gut in Hermsdorf
Ausschnitt einer Skizze von A.Böhm, 1850
(Tannhausener Linie)

Lageplan Böhm-Gut (Gottlieb Böhm, Ururgroßvater)
Karte der Kohlenstrasse von Weissstein nach Hermsdorf,
gezeichnet von Hartmann 1833

Lageplan Böhm-Gut, Hermsdorf 1830
(Tannhausener Linie)


Erläuterung zu Kuxen-Gesellschaft



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