Böhm-Chronik
Adlige Zeugen in Herzogsurkunden
Die politische Rolle des schlesischen Adels im 13.Jahrhundert
von Ulrich Schmilewski, Verein für Geschichte Schlesiens
Adlige Zeugen in Herzogsurkunden
Schmilewski schreibt auf Seite 251 ff :
In den Zeugenlisten der schlesischen Herzogsurkunden kommt nach vorherrschender Meinung die Einflußnahme der Stände auf die Regierung zum Ausdruck.
Von den 178 bis zum Jahre 1250 ausgestellten Herzogsurkunden kommen 62 = 34,7 %
völlig ohne Zeugen aus, von den zwischen 1251 und 1300 ausgestellten Herzogsurkunden nur noch 74 = 11,5 %.
Dies bedeutet, daß die Herzöge bis zur Mitte des 13. JH. unabhängiger regierten bzw. daß die Beteiligung der Stände an der Herrschaft mit den Teilungen und den damit verbundenen Verkleinerungen der schlesischen Herzogtümer zunimmt.
Als Zeugen erscheinen in den Herzogsurkunden die herzogliche Verwandschaft, die hohe und niedere Geistlichkeit, beamtete und nichtbeamtete Adlige, Bürger und bäuerliche Bevölkerung.
Bürger und bäuerliche Bevölkerung treten allerdings erst später auf.
Die Vertreter der verschiedenen Gruppen werden unterschiedlich häufig als Zeugen aufgeführt. Der Adel ist am stärksten vertreten, ihm folgt die Geistlichkeit, die vor allem in den für die Kirche bestimmten Urkunden dominiert.
Der Zeugenkreis setzt sich zusammen aus Personen, die mit dem Urkundengegenstand oder den Gegebenheiten vor Ort besonders vertraut sind, oder an der getroffenen Entscheidung mitgewirkt haben.
Bei der Auswahl der Zeugen wird offensichtlich wenigstens zum Teil Rücksicht genommen auf den geografischen Bereich, für den die Urkunde ausgestellt wird.
Die Dominanz des Adels erklärt sich dadurch, daß in großer Zahl Beamte als Zeugen herangezogen werden. So finden sich in 86 % aller bis 1250 ausgestellten Herzogsurkunden
Kastellane als Zeugen, in 44 % Kämmerer und Richter, sowie in in etwa 40 % Truchsesse und Schenke.
Später steigt der Anteil der nichtbeamteten Adligen.
In den Zeugenlisten ist eine feste Reihenfolge erkennbar :
Zunächst erscheinen die Angehörigen der herzoglichen Familie, dann die Geistlichkeit, darauf der Adel, dann die Bürger und die bäuerliche Bevölkerung.
Innerhalb des Adels kommen zuerst die beamteten, dann die nichtbeamteten Adligen.
Von besonderer Bedeutung ist die Reihenfolge der beamteten Adligen, in der sich offensichtlich die Rangfolge der von ihnen bekleideten Ämter widerspiegelt.
Dabei läßt sich in der ersten hälfte des 13. JH. folgende verhältnismäßig stabile Ämterhirarchie feststellen :
Palatin – Kastellan – Richter – Kämmerer – Truchseß – Schenk – Marschall – Schatzmeister – Bannerträger – Schwertträger – Jäger sowie den jeweiligen Unterbeamten.
Die Gruppe der Barone :
Die Barone stellen innerhalb des Adels eine kleine Gruppe dar : nur 135 Adlige werden als Barone bezeichnet.
Bemerkenswert ist, daß sie in den Quellen kaum als Einzelpersonen, sondern vielmehr als Gruppe in Erscheinung treten.
Trotz ihrer geringen Zahl kommt der Gruppe der Barone eine über die allgemeine Bezeugung von Herzogsurkunden und die Bekleidung von Landes – und Hofämter hinausreichende politisch – staatliche Rolle zu.
Sie haben eindeutig eine den Herzog beratende Funktion.
Bei Verhandlungen, herzoglichen Verleihungen und Entscheidungen wird durch die Anwesenheit der Barone die Öffentlichkeit hergestellt.
Sie gelten damit auch als Garanten dieser Entscheidungen über den Tod des Herzogs hinaus.
Angewiesen auf den Rat seiner Barone, oder gar an ihn gebunden, scheint der Herzog jedoch nicht gewesen zu sein.
In den Urkunden werden die Barone das gesamte 13 JH. hindurch genannt, mit zunehmender Tendenz.
Es werden Formulierungen wie „nos habito consilio baronum nostrorum“, „cum consilio baronum nostrorum“ usw. gebraucht.
Einmal heißt es sogar, daß der Herzog ein „colloquium“ mit seinen Baronen hatte.
Auch agiert der Herzog auf Bitten seiner Barone : „ad preces baronum nostrorum“ .
Eine Mitwirkung der Barone an internationalen Abmachungen scheint auch gegeben zu sein.
In einem Fall – der Herzog ist gefangen – treffen sie Abmachungen an Statt des Herzogs (in diesem Falle mit Markgraf Otto von Brandenburg).
Anmerkung:
Dieser Artikel wurde in Zusammenarbeit mit Dr. Werner Rudolf ( Heimatforschung Schwarzwaldau ) in die Böhm-Chronik aufgenommen.