Böhm-Chronik



Das fremde Rittertum in Schlesien bis zur Mitte des 14.Jhs.




Seit dem Ende des 10.Jahrhunderts ein integraler Bestandteil Polens, trat Schlesien im Hochmittelalter in den deutschen Kulturkreis ein, was schließlich zur Unterwerfung unter das reichszugehörige Böhmen führte. Auf die Frage nach den Ursachen dieses großen Wandels verweisen Historiker im allgemeinen auf die deutsche Kolonisation auf dem Lande und auf die Entstehung zahlreicher deutscher Städte im 13. und 14. Jahrhundert. Hingegen sind die Veränderungen innerhalb der Ritterschaft und deren Bedeutung für diesen Prozeß noch nicht erschöpfend erforscht. Dabei muß gerade diese Schicht eine entscheidende Rolle bei der Umwandlung des Nationalbewußtseins gepielt haben, das sich im Mittelalter nur auf die gesellschaftliche Elite beschränkte. Eine besondere Bedeutung kommt hierbei dem Zustrom ausländischer, insbesondere deutscher Ritter zu.

Insgesamt wurden 401 Ritter zusammengestellt, die aus dem Ausland nach Schlesien einwanderten. Ihre größte Blüte erlebte die Einwanderung nach Schlesien in den letzten zwei Jahrzehnten des 13. Jahrhundert. Die Migration aus der Ritterschaft sammelten sich erneut und in bislang ungekanntem Ausmaße am böhmischen Hof Wenzel II. (bis 1305) und vor allem Johanns von Luxemburg (1310-1346).

Die Mehrheit der zugewanderten Ritter kam aus nahen deutschen Gebieten nach Schlesien. Fast ein Viertel stammte aus der benachbarten Oberlausitz, dabei allerdings aus dem entfernteren Westen. Aus der ebenfalls benachbarten Niederlausitz - im Mittelalter schlicht die Lausitz - stammten nur 6-8% aller Zuwanderer. Hohe Einwanderungszahlen lassen sich für Meißen (ca. 20%), das Pleißenland (ca. 10%) und Thüringen (ca. 15%) nachweisen. Ein ansehnlicher Anteil von Zuwanderern stammte aus Böhmen (ca. 8-9%). Davon kamen die meisten aus Nordböhmen, wobei viele zu Familien gehörten, die wenig früher aus Deutschland eingewandert waren.

Die Mehrheit der Zuwanderer stammte von Ministerialen (Beamte) ab. Die Kategorie der Ministerialen ist freilich gegen Ende des 13. Jh. schon ohne Aussagekraft: Insbesondere in den deutschen Ostmarken verwischen sich die gesellschaftlichen Grenzen, was zu einer rechtlichen Benachteiligung der Ministerialen führte. Bessere Rückschlüsse über den gesellschaftlichen Status der wandernden Ritter lassen sich durch deren Besitzverhältnisse ziehen. Fraglos überwiegen hierbei die Armen, doch müssen bis zu 30% als wohlhabend angesehen werden.

Nach Quellenlagen ging man entweder allein oder in Gruppen fast immer im Frühjahr auf Wanderschaft. Gemeinsam reisten Brüder oder entferntere Verwandte, Nachbarn und Freunde. Wohlhabendere wurden von Klienten und Vasallen begleitet. Viel seltener beteiligten sich Frauen, zumeist die Ehefrauen oder Töchter der Ritter, an der Reise. Vor Antritt der Wanderschaft brauchten die Ritter sicherlich die Zustimmung der bisherigen Lehnsherren. Der weggezogene Ritter behielt auf jeden Fall und auch nach vielen Jahren in Schlesien seine Güter in seinem Heimatland, doch kam es vor, daß der Lehnsherr den längeren Zeit abwesenden Rittern mit Lehnsentzug drohte.

Einen weiteren Ansporn bildeten auch die Kontakte zwischen deutschen Territorialfürsten und den schlesischen Piasten. Schlesien zeichnete sich im Netz dieser höfischen Zentren durch einige Vorzüge aus: es lag verhältnismäßig nahe an Deutschland, war weder exotisch noch gefährlich, und die schlesischen Herzöge verfügten bis zum Anfang des 14.Jh. über eine relativ starke Macht. Verschiedene Motive gaben den Anstoß zur Wanderschaft. Viele Ritter suchten einfach bessere Lebensbedingungen, was ebenso die Angehörigen wohlhabender, aber langsam verarmenden Familien betraf. Gerade die Reisen junger Ritter kann man als typisches Element der ritterlichen Erziehung verstehen. Sicherlich waren unter den Rittern auch Flüchtlinge, die nach Konflikten mit ihren bisherigen Herren auf Wanderschaft gingen. Andere waren nichts anderes als Kriminelle auf der Flucht. Prinzipiell motivierten zwei Gründe zur Wanderschaft: Hunger und Abenteuerlust, was sich natürlich nicht gegenseitig ausschloß.

Die zugewanderten Ritter hielten sich fast immer in Niederschlesien auf. Kaum 10 (von 401) gelangten ins Oppelner Schlesien (Oberschlesien). Etwas mehr (22) ließen sich im Glatzer Land nieder, doch zogen sie oder aber ihre Kinder bald ins eigentlichen Schlesien um. Das Wort "Schlesien" ist entsprechend der Nomenklatur des 13. und 14.Jh. ausschließlich als Niederschlesien zu verstehen.

Zur Bewertung der Laufbahn von Zuwanderern kann man verschiedene Kriterien zu Hilfe ziehen. Fast alle erwarben in Schlesien Landgüter. Prinzipiell stattete der Herzog Ritter, die in seinen Dienst traten, aus. Das galt auch für jenen, die sich nur befristet in Schlesien aufhielten. Die meisten Güter bestanden aus einem oder wenigen Dörfern. Größerer Besitz war selten und entstand über einen längeren Zeitraum, zumeist über einige Generationen. Große Güter häuften ca. 10% der Ritter an, die für immer in Schlesien blieben. Ein Teil der Immigranten (ca. 13%) erhielt von den Herzögen auch Ämter, sowohl am Hofe als auch als Kastellane in der Territorialverwaltung. Der Rang des Ritters läßt sich auch an der Häufigkeit abmessen, in der er als Zeuge in herzöglichen Urkunden auftrat.

Im Vergleich zum gesellschaftlichen Status in der Heimat stiegen vor allem ärmere Einwanderer in Schlesien auf, während Ritter aus wohlhabenden Familien nicht immer das frühere Lebensniveau aufrechterhalten konnten. Das arme polnische Rittertum war jedoch eine verschwindende Schicht, so daß im Laufe der Zeit der Anteil an fremden Rittern und ihren Nachkommen stieg. Einige Zeugnisse zeigen übereinstimmend, daß Zuwanderer und deren Nachkommen ungefähr ein Drittel der gesamten Ritterschaft darstellten. Im Herzogtum Schweidnitz stieg der Anteil der Fremden sogar auf zwei Drittel. Im 15.Jh. betrug der Anteil von Zuwanderernachfahren in ganz Schlesien ungefähr 50%.

Die Zuwanderer wuchsen sicherlich in die örtliche Gesellschaft hinein. Von prinzipieller Bedeutung waren in diesem Prozeß Eheschließungen zwischen polnischen und fremden Ritterfamilien. Mischehen waren die Grundlage für eine Annäherung zwischen Immigranten und Einheimischen. Das Bewußtsein einer eigenen Identität fand in den aus der Heimat übernommenen Wappen und den Namen, die aus außerschlesischen Ortsnamen gebildet wurden, seinen Ausdruck.

Die schlesischen Herzöge nahmen sehr gerne fremde Ritter in ihren Dienst. Das ist für das Verhaltensmuster mittelalterlicher Herrscher nichts ungewöhnliches, da ja die Diversität des Hofes ein Maß für dessen Ruhm war. Die immigrierten Ritter kamen größtenteils aus Deutschland. Als internationale Sprache der höfischen Kultur in Mitteleuropa herrschte das Mittelhochdeutsche sicherlich schon um 1250 an den schlesischen Höfen vor. Nach Meinung der Herzöge dienten die Immigranten treuer als die Einheimischen, da sie keinen Rückhalt in den Erbgütern und den Familienkollegiaten hatten. Die Zuwanderer brachten das für die Herzöge vorteilhafte Lehnsrecht mit. Außerdem war mit ihnen die Hoffnung verbunden, weitere Siedler aus Deutschland nach sich zu ziehen. Somit war Niederschlesien um 1300 das östlichste Grenzgebiet der deutschen ritterlichen Hofkultur.

Betreten wir nun die für Historiker schwierige Frage der nationalen Identität, die sich sowohl in Form von Gebräuchen (Recht, Sprache, Kleidung, Religiösität) als auch durch das historische Bewußtsein zeigt. Im 13. und 14.Jh. läßt sich innerhalb der schlesischen Ritterschaft das Aussterben polnischer Gebräuche beobachten. Die fremde Ritterschaft brachte das Lehnsrecht mit sich, das bereitwillig von den Herzögen übernommen wurde. So verdrängte es schnell die traditionelle polnische Ordnung des Allodialbesitzes (des sog. Erbrechts), das sich nur im Oppelner Schlesien und in den nördlichen Randgebieten Niederschlesiens (Glogau, Oels) hielt. Gleichzeitig übernahm man in der Ritterschaft andere typisch deutsche Rechtsbräuche wie etwa den Landfrieden. In ritterlichen Privaturkunden verdrängte das Deutsche im Laufe des 14.Jh. das Lateinische immer mehr, während man in Polen dem Lateinischen treu blieb. Durch die politischen Ereignisse des 13. und 14.Jh. bildete sich das Gefühl einer Trennung von den anderen polnischen Gebieten heraus. Das von Wladyslaw Lokietek neugegründete Königreich Polen war für die Schlesier ein fremdes und feindliches Land. Aus Einzelbeobachtungen ergibt sich, daß die einheimische Ritterschaft schon zu Beginn des 14.Jh. die Verbindung zum polnischen Recht verlor und bis ungefähr 1350 neue Sitten und in der zweiten Hälfte des 14.Jh. die deutsche Sprache übernahm. Das unruhige 15.Jh. brachte schwere Kriege - allen voran der Kampf gegen die Hussiten - trennte Schlesien vom ketzerischen Böhmen und auch von Polen. Die Reformation entschied schließlich erst einmal für eine Identifikation der meisten Schlesier mit dem deutschen Volk.



Namensbezogene Ritterfamilien Böhm (Bohemus, Behme) mit Einbeziehung der slawischen Namensschreibung Czech für Böhme:

Sicherlich ohne genealogisch beweisbare Zuordnung, aber zwecks Namensforschung kann Ort und Zeit der Vorkommen der Nachnamen erfasst werden. Die deutsche Schreibweise unterstand noch keiner Regel. Für die Ritter im Spätmittelalter war das Wappen wichtiger als ihr Nachname. Viele nannten sich dann nach ihren Besitzungen, zum Beispiel nach ihrer Burg oder ihrem Dorf.



Auszugsweise Übersetzung:

3.Absatz: Henryk Czech [Heinrich der Böhme]
Heinrich der Böhme trat in den 1282 - 1316 Jahren, neben der Schweidnitzer Herzoge in Erscheinung. Er war der Vizemarschall des Bolko I. Besaß Güter in Hermannsdorf unweit von Jauer und Schreibersdorf (Pisarzowice) bei Lauban, und in der Gegend von Landeshut (Kamienna Gora).
Seine Verwandten waren möglicherweise, die ebenfalls in Schweidnitzer Gegend in Erscheinung tretenden, Jan Czech [Hans der Böhme] (1292) und Konrad Czech [Konrad der Böhme] (1307 - 1309).
In der Ausarbeitung zu der betreffenden Urkunde in der Heinrich Böhme 25 Hufen in Hermannsdorf (Krs. Jauer) verkauft, steht: "Ab der Mitte des 13. Jahrd. ... trat an den Herrscherhöfen der Marschall an die Stelle des Stallmeisters. Dann avancierte er zum Vorsteher der fürstlichen Hofhaltung, womit er einen hohen Rang inne hatte."

6.Absatz: Witek Czech [Witigo Beheim]
Die hervorragendste Gestalt, war Witigo Beheim (Witek Czech) von Rodov [bei Jeromer in Böhmen], der in den Dokumenten der Münsterberger (Ziebice) und Schweidnitzer Herzoge (1329 - 1366) außergewöhnlich oft, als Zeuge fungierte. Er erwarb Krelkau (Krzelkow) und Bernsdorf (Biernacice) in der Nähe von Münsterberg wie auch darüber hinaus zahlreiche Zinsen.
Seine Kinder waren Hans (Jan) (der im Jahr 1374 das Testament seines Vaters ausfüllte), Sigismund (Zygmunt) der sich von Schwarzwaldau schrieb, Elisabeth (Elzbieta) die Ehefrau des Günter von Adelungsbach (Struga) und Jutta, die Ehefrau des Hans (Jan) von Budow.

Des weiteren auf Seite 108:
Elisabeth Behem von Rodov (Elzbieta Czeszka z Rodov) oo Gunter von Adelungsbach (Struga),
Jutta Behem von Rodov (Jutta Czeszka z Rodov) oo Hans (Jan) von Budow.
F.A. Zimmermann: Band 4 Beiträge zur Beschreibung Schlesien 1785
zu Bernsdorf und Krelkau heißt es dort:
8. Bernsdorf, sonst auch Bernhardsdorf genannt: 1396 verkaufte dieses Dorf Sigmund von Schwarzenwald und Rodow an den Abt Martin zu Heinrichau, welchen Kauf auch der Herzog Bolko [von Münsterberg] konformirte.
24. Krelkau: Die Hälfte dieses Dorfes war schon längst ein Eigenthum des Klosters, die andere Hälfte hingegen kaufte der Abt Nikolaus erst 1388 von Sigmund von Schwarzenwald dazu, und der Herzog Bolko [von Münsterberg] konfirmirte den Kauf.

Ein kleines Vorwerk besaß noch im 17. Jahrhundert Hans Georg zu Gabe und Ribian, welcher solches um eben die Zeit auch an das Stift Heinrichau verkaufte, da denn dieses Guth, weil die Scholtißen auch noch dazu gekommen, ziemlich vergrößert worden ist. Dermalen besteht dies Dorf aus 1 herrschaftlichen Vorwerk, 21 ganzen Bauern, 12 Freygärtnern, 25 Häuslern, 3 Wassermühlen, 2 Gemeinhäusern und 390 Einwohnern.




Quelle:
Jurek, Tomasz, 1998, 450 Seiten: "Obce rycerstwo na Slasku do polowy XIV wieku - Foreign Knights in Silesia until the Middle of the 14th Century"




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