Böhm-Chronik



Kritische Anmerkungen zu Einträgen in Kirchenbüchern

Kann man sie immer als zuverlässige Primärquellen ansehen?




In der Welt wird gelogen, früher wie auch heute. Heute werden Lügen vielleicht eher aufgedeckt. Für uns Familienforscher gelten Kirchenbücher als primäre Quellen. Bei den Taufen gehen wir doch immer davon aus, dass der im Kirchenbuch vermerkte leibliche Vater stets der leibliche Vater sei. Bei einem geringen Prozentsatz ist unsere Annahme sicherlich falsch; er ist es offenbar nicht, obwohl angegeben. Jedenfalls in den früheren Jahrhunderten. Die ersten Kirchenbücher lesen sich wie Notizbücher der Pfarrer (ohne Werturteil!). So wird zum Beispiel 1575 der Knecht des Bauern mit dem Nachnamen des Bauern aufgeführt. An anderer Stelle ein anderer Eintrag (Nachtrag): "Soll vorhin zwei Weiber gehabt haben, der Pferdedieb! Ist auch darnach bei Glatz gehangen." Man erkennt die Macht des Schreibfähigen (wiederum ohne Werturteil!). Es steht schwarz auf weiss, für immer. Ob zu Recht oder zu Unrecht bleibt offen. Die im Nachtrag aufgeführten Informationen stammen vielleicht aus einer Beichte.

In einigen fraglichen Fällen kann es durchaus vorgekommen sein, dass der Pfarrer die Daten in das Kirchenbuch einträgt, die er als die richtigen betrachtet, manchmal durch eine Spende untermauert. Man bedenke, ein Pfarrer war kein Richter, jedoch im Dorfe eine sehr einflussreiche Person und sicherlich zum Teil auch mit Entscheidungen überfordert.

In unserer Forschung in frühen kath. Kirchenbüchern in Mexiko (Linie meiner Frau) haben wir festgestellt, dass Taufen unehelicher Kinder oft am Ende des Kirchenbuches, ja sogar in getrennten Kirchenbüchern vermerkt wurden. Dadurch werden einige Eintragungen sehr schwer auffindbar.

Der 'reinen' Genealogie sind offenbar Grenzen gesetzt. Sollte man deshalb der Richtung etwas mehr Beachtung schenken, dass das Aufwachsen in einer Familie das Bewusstsein prägt und dass es für die Familiengeschichtsforschung zweitrangig ist, ob das Familienmitglied nun mit uns biologisch blutsverwandt oder "nur" soziologisch namensverwandt (Kuckuckskind) ist? DNA-Nachweise sind rein biologisch und meines Erachtens für die Familiensoziologie unbedeutend.

Siehe auch: Gleiche Namen, gleiches Erbgut und Einträge in Kirchenbüchern

Die grosse Frage ist nun: Soll man mehr Wert auf den biologischen oder auf den soziologischen Bestandteil der Familienforschung legen? Was weiss man denn in der Regel über die Verhältnisse in der Familie? Oft weniger als bei den biologische Beziehungen. Nur, der biologische Teil ist verdeckt. Wir können an die Richtigkeit der Eintragungen nur glauben.

Welche Art der Forschung betreibt man und nach welchem Kriterium definiert man nun "Familie": Soziale Familienforschung oder biologische Abstammungsforschung? Es geht hier nicht um die Anzweifelung der Forschungsmethoden in der Genealogie, denn in der Frage was einen Menschen beeinflusst, gibt es in der Wissenschaft Raum für beide Meinungen. Entscheidend ist aber, da die Familie sowohl biologische als auch soziologische Aspekte hat, dass man bei der Familienforschung/Genealogie ebenfalls beide Aspekte berücksichtigen muss. Für mich jedenfalls bedeutet Familiengeschichtsforschung eine an Ahnenforschung orientierte Sozialgeschichte.

Man bedenke:
"Pater semper incertus - der Vater ist immer ungewiß!"





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