Böhm-Chronik
Abgestorbene Zweige der Ritterschaft
15. und 16.Jahrhundert
Abgestorbene Zweige der Ritterschaft
Christian Ader schreibt in >Heraldik im Netz<
unter "Einführung in die Heraldik" u.a.:
"Sicherlich gehen die Nachkommen der mediatisierten Reichsritter-Familien heute in die Hundertausende. Es waren über 16.000 Familien in den Matrikeln eingeschrieben. Die landständische Ritterschaft hat mit Sicherheit noch mehr Nachkommen. Darüber wurden aber keine zentralen Matrikeln geführt."
Ich finde, das ist eine sehr interessante Aussage. Mir geht es in meiner Forschung um die abgestorbenen Geschlechter/Familien der landständischen Ritterschaft in Schlesien im späten Mittelalter. Viele Ritter schafften den Wechsel vom Berufskrieger zum Grundherren nicht. Die meisten jagten einem Lehen nach, welches sie jedoch nie erreichten. Durch die Einführung der Feuerwaffen und eine veränderte Kampftaktik war ihr Dasein bedroht. Wirtschaftliche Not und sozialer Abstieg führten schliesslich zum Ende. Sie verarmten und konnten sich in der Adelsgesellschaft nicht halten. Sie lebten aber als Personen weiter. Manchmal ist ein Wappen mit vagen genealogischen Daten alles was in den Adelvereinigungen über sie vorhanden ist. Es wird mit Sicherheit kein zentrales Register der abgestorbene Zweige der Ritterschaft geben, aber vielleicht doch eben Herrschaftsprotokolle. Die Ritterschaft ist heute überhaupt nicht mehr übersehbar; vor allem der Landstand - d.h. alle Ritter, die nicht direkt dem Kaiser unterstanden, sondern den Landeseignern, Grafen, Bischöfen, Äbten usw.! Wenn diese Ritter keinen Allodialbesitz hatten, dann sind sie meist untergegangen - nicht ausgestorben, sondern sie waren eben keine Ritter mehr [Allodialbesitz: Eigentum > evtl. Freibauer]. Meist wurde dieser Schritt freiwillig getan. Spätestens ab dem 14. Jahrhundert reichten die Einkünfte aus dem Lehen nicht mehr aus, um den Pflichten nachzukommen.Wer nicht im Dienst der Fürsten ein Einkommen fand, war oft dem Untergang geweiht oder endete als Raubritter. Mit dem Ewigen Landfrieden von 1495 wurde unter Kaiser Maximilian I im römisch-deutschen Reich letztendlich das mittelalterliche Fehderecht abgeschafft und somit der Ritters letztes Reservatrecht genommen. Die Zeit von 1400 bis 1600 ist für diese Familienforschung besonders schwierig, da Kirchenbücher noch nicht existierten.
Mir geht es eigentlich nicht um die Reichsritter, sondern um die landständischen
Ritter, die also dem Landesherrn bzw. grösseren Grundherrn unterstellt waren.
Wenn die landständische Ritterschaft im damaligen römisch-deutschen Reich mit Sicherheit noch mehr Nachkommen hat
(siehe oben), dann könnten die Nachkommen daraus heute in die Millionen gehen. Das bestärkt doch dann wieder jene Theorie, dass sehr viele Familien heutzutage aus den
abgestorbenen Linien der landständischen Ritterschaft stammen, ohne es zu wissen.
In Siebmachers Wappensammlungen von Conrad Blazek (1887, 1894) "Der Abgestorbene Adel in der Preussischen Provinz Schlesien I-III" werden über 3400 Wappen genannt. Abgestorben bedeutet untergegangen als Adel.
Gustav Freytag vermutete um 1860 in seinen Bildern aus der deutschen Vergangenheit (Band 2,1, S. 375/376), es habe etwa fünf Mal mehr Edelknechte als Ritter gegeben. Für das ausgehende Mittelalter reduzierte er dieses Zahlenverhältnis sogar auf zehn zu eins.
Der niedere Adel, der den größten Teil der Ritter und vor allem der Edelknechte stellte, war nicht nur ein Berufskriegerstand. So waren die mitteleuropäischen Kleinadligen mehr größere Freibauern und Gutsverwalter als Krieger, so dass die Ritterwürde im Alltag entbehrlich war. Ein Edelknecht (auch Armiger, Wepeling oder Wäpeling) war ein adliger, ritterbürtiger, erwachsener, aber noch nicht zum Ritter geschlagener oder mit dem Schwert umgürteter mittelalterlicher Krieger oder Edelmann. Die meisten Angehörigen des niederen Dienstadels mussten aus wirtschaftlichen Gründen auf den Erwerb der Ritterwürde verzichten. Häufig ermöglichte man nur dem ältesten Sohn einer Familie den Ritterstand, seine Brüder mussten Edelknechte bleiben. Für das tägliche Leben hatte dies wenig Bedeutung, allenfalls bei Turnieren wurden Unterschiede zwischen Rittern und Knechten gemacht. Siehe auch in WIKIPEDIA Edelknecht.
Wenn es uns nun gelänge, die entsprechenden Matrikel bzw. Herrschaftsprotokolle zu finden, das
würde einige Familienforscher ermöglichen bis zur Erstellungen der ersten
Landbücher
in Schlesien um 1350 (erste Registrierung der Lehen durch die Piasten) zu forschen. Es wäre doch ein Meilenstein in der Familiengeschichtsforschung.
Ich könnte mir vorstellen, dass diese Unterlagen, was meine Forschung anbetrifft - wenn überhaupt auffindbar - in den Archiven der Herrschaften Schaffgotsch, Redern, Czettritz-Neuhaus, Hochberg usw. sein könnten. Vielleicht 'versteckt' - unter anderen Akten - im Staatsarchiv in Breslau.
Archive
Die Breslauer Stadtbibliothek hatte mit ihren über 400 000 Bänden einen
der größten Bestände überhaupt im Deutschen Reich. Hiervon sind auch die
meisten erhalten geblieben und befinden sich heute in der
Universitätsbibliothek in Wroclaw. Diese hatte um 1945 einen Bestand von
fast 800 000 Bänden. Darunter sehr wertvolle Handschriften und
Inkunabeln [Frühdrucke aus der Zeit vor 1500]. 300 000 Bände waren im
Januar 1945 ausgelagert worden. Am 19.2. 1945 wurden durch einen
Bombeneinschlag die ersten 50 000 Bücher vernichtet. Die deutsche Wehrmacht
wollte ab Ende März die übrigen Bücher verbrennen oder in die Oder
werfen. Dies geschah zum Glück nicht. Am 31.3.1945 gingen durch einen Brand
etwa 20 000 Bände aus der Bibliothek der Hirschberger Gnadenkirche
verloren, die während dem Krieg nach Breslau ausgeliehen waren. Am 2.
April 1945 gab es erneute Treffer im Bibliotheksgebäude, wodurch 15 000 Bände
aus dem Bereich deutschen Geschichte und ein größerer Bestand an
Dissertationen verlorenging. Schließlich erreichte man doch noch eine
Genehmigung zur Auslagerung in die Annenkirche. Bis zum 4. Mai 1945 hatten
unzählige Helfer noch ca. 300 000 Bücher nach dort verbracht. Die Kirche
wurde am 11. Mai 1945 (nach Kriegsende) angesteckt und brannte 14 Tage lang
völlig aus. Alle Bücher darin wurden zerstört. Später konnten etwa
180 000 Bände aus den Auslagerungsstätten wieder nach Breslau gebracht
werden.
Über das Schicksal der berühmten Bibliothek auf dem Fürstenstein ist
weniger bekannt. Einige wertvolle Bücher aus dem 16. u. 17. Jahrhundert
fand man im Umfeld der Schloßanlage - ohne ihre Ledereinbände. Daraus
hatten sich die Besatzungssoldaten neue Schuhsohlen angefertigt.
Die ebenso berühmte Bibliothek der Grafen Schaffgotsch aus Bad Warmbrunn
ist weitgehendst erhalten geblieben. Leider ist sie aufgeteilt worden.
Schlesisches Material kam nach Breslau und der Rest nach Warschau.
In der Universitätsbibliothek Wroclaw befanden sich 1990:
941 266 Bände
152 000 davon in der Altdruckabteilung
9 057 Bände in der Handschriftensammlung
Sie besitzt heute den reichsten Altbestand aller Bibliotheken in Polen.
Für uns von Interesse sind:
- 80 000 Bänder der Schaffgot'schen Sammlung mit schlesischen Chroniken aus
dem 15.-18. Jhd., Kopialbücher von Privlegien, Statuten usw.,
genealogisches Material zu den Piasten, sowie schlesischer und lausitzer
Geschlechter und zum schlesischen Militär.
- Handschriften aus der Peter und Paul - Kirchenbibliothek aus Liegnitz,
eine Büchersammlung der Piastenfürsten aus Brieg und Liegnitz,
Handschriften der Bibliothek der Oberlausitzer Gesellschaft, die sogenannte
Milich-Sammlung aus Görlitz und eine Handschriftensammlung aus dem
Jesuitenkolleg in Glatz.
- Schlesisches Kabinett mit einer Sammlung von Doktorarbeiten und eine
annährend komplette Sammlung von schlesischen Zeitschriften aus dem 19.
Jahrhundert. Den Bestand an Bänden liegen hier nur von 1951 mit ca.
14 000 Bänden vor.
Noch kurz zur katholischen Dombibliothek in Breslau. Dort lagerten vor dem
Krieg etwa 92 000 Bände, 813 Inkunabeln, 508 Handschriften und die
Sonderabteilung der Neisser Pfarrbiblitohek. Die Verluste blieben
erstaunlich gering. Nur etwa 1500 Bände fehlen. Die Altdrucke aus Neiße
blieben völlig unversehrt.
Folgendes Material lagerte in den
1960er Jahren im Erzbistumsarchiv zu Breslau, hatte somit zumindest die
direkte Nachkriegszeit überstanden.
Der Fü. S c h w e i d n i t z - J a u e r, Privilegia, Begnadungen,
Freiheiten, Rechte, Gerechtigkeiten v. Prälaten, Herren, Rittern u.
Mannschaften von Fürsten, Kaisern u. König zu Böhmen über ihre Güter
erlangt, 17. Jahrhundert. Deutsch; VI a -- 2161/[259]
Privilegien, Freiheiten u. Rechte der Herren Landstände der Fü. S c h w
e i d n i t z - J a u e r, 1596: Schatzungsregister, 1577:
Ritterdienste, 1504: Bestallung der Landesältesten, 1337-1636: Verz. der
Landeshauptleute in Breslau, Kurze Chronika der schles. Kirche,
Hauptleute des Fü. S c h w e i d n i t z - J a u e r, Deutsch; VI a 31
-- 62/[260]
Kopialbuch enthalten u.a. Urbarium der Ritterdienste im Fü. S c h w e i
d n i t z - J a u e r von 1550. Deutsch¸ VI a. 32 -- dito.
Kaiserl. End Urbarium Urthel der Fü. S c h w e i d n i t z - J a u e r
1629. Deutsch; VI a 37 -- 63/[261].
Privilegia der Fü. S c h w e i d n i t z - J a u e r; VI d. 7 b) --
82/[280]
Abschriften von Privilegien, Freiheiten u. Rechten der Herrn Landstände
in den Fü. S c h w e i d n i t z - J a u e r, auch ein Teils derselben
Städte mitanlangend, auch etliche andere Sachen Handlungen u. Verträge
zw. Ständen u. Städten, 16. Jhd. Deutsch; VI d. 21 -- 84/[282]
Kopien von Privilegien die Fü. S c h w e i d n i t z - J a u e r
betreffend. 16. Jhd. Deutsch; VI d. 22 -- dito.
Privilegia, Freiheiten u.Begnadungen Pälaten, Herren, Ritterschaften,
Mannschaften und Städte der Fü. S c h w e i d n i t z - J a u e r
betreffend. (Register und Verz. des Inhalts 1347-1608). Deutsch; VI d.
23a -- dito.
Privilegia des S c h w e i d n i t z e r Fü., 17. Jhd. Deutsch; VI d. 24
a) -- dito.
Quelle: Urban, Wincenty, Katalog Archiwum Archidiecezjalnego we
Wroclawiu, Rekopisy, Lublin 1965-1968, 798 Seiten.
xxx / [yyy] bedeutet: xxx = Teilseitenzahl, yyy = durchlaufende Seitenzahl.
Siehe auch:
Kritische Anmerkungen zu Wappenbüchern
Quellen:
Dank an die Mitglieder von Heraldik im Netz für die beigetragene Information.
Kape, Ortrud; Die Geschichte der wissenschaftlichen Bibliotheken in
Breslau in der Zeit von 1945 bis 1955, St. Katharinen 1993. Beitrag von Klaus Liwowsky.