Böhm-Chronik
Zusammenfassung der bisherigen Böhm-Forschung
Stand: Juli 2015
Verantwortlicher Bearbeiter: Guenter Boehm
(1) Einführung
- Landesgeschichte - Heimatgeschichte - Familiengeschichte -
Soll die Familienforschung einen tieferen Sinn haben, so muss sie versuchen, über das Zusammentragen blosser Ahnendaten hinaus ein Bild von der Umwelt und den Lebensverhältnissen der Ahnen zu gewinnen; dann ist auch die Arbeit des Familienforschers gleichzeitig eine Hilfe für unsere Heimatgeschichte, die auszubauen nicht allein dem Historiker überlassen bleiben kann. Ich habe meine Familiengeschichtsforschung - eine an Ahnenforschung orientierte Sozialgeschichte - in vier Epochen unterteilt und dabei Geschichte wie auch Landeskunde mit einbezogen. Oftmals verschwimmen dann die Grenzen zwischen Ahnenforschung und Heimatgeschichte. Geschichte zu verstehen und zu interpretieren ist eine Kunst, der wir nachgehen sollten.
Unerwartete Hilfestellung erhielt ich durch die Forschungsarbeiten in den 1920/30er Jahren der Heimatforscher Kurt und Emil Tschersich zu Heincze Behem anno 1409 sowie Ludwig Häuflers Forschungen zur Geschichte des Waldenburger Berglands und der
Grundherrschaft Waldenburg-Neuhaus. Ich konnte darauf aufbauen. Desweiteren war die besondere Stellung (Erbrecht) der Hermsdorfer Kohlenbauern in der Grundherrschaft von Bedeutung. Der Grundherr war stets zusammen mit der Bauernschaft Kuxeninhaber. Die Archivalien dazu erleichtern die Forschung und ergänzen das Suchen in den Kirchenbüchern.
Dr. Werner Rudolf hat mit seiner sehr in die Tiefe gehenden Heimatforschung zur Geschichte von Schwarzwaldau beigetragen, weitere Informationen zu den Beheim/Behem und den Rodov zu finden. Besonders hervorzuheben ist seine Forschung anhand von Eintragungen in Landbüchern vom 14. Jahrhundert zu den verwandtschaftlichen Verbindungen der damaligen Familien im Fürstentum Schweidnitz-Jauer.
Die Beheim/Behem von Schwarzwaldau waren ein Ministerialengeschlecht des niederen Adels (Ritter und Edelknechte), das deutscher Herkunft war und ursprünglich im Raum Grossenhain im heutigen Sachsen (Radow, Rodow) sass. Der Bezirk Grossenhain, die sogenannte Hainer Pflege, war zur Zeit der grossen Machtentfaltung Böhmens von 1076-1135 der übrigen Mark Meissen getrennt und gehörte zur Lausitz. Anfang des 11. Jahrhunderts gründete Jaromir, ein Fürst der Premysliden, Jaromer bei Königsgrätz, welches unter Ottokar I. Premysl (*um 1155, +1230) zur Königsstadt erhoben wurde. Grossenhain wurde wahrscheinlich 1088 vom böhmischen König Wratislaw gegründet als Feste Gvozdec, sorbisch für "(kleiner) Hain". Fürst Jaromir hatte auch Besitz bei Grossenhain. Hier könnte ein Zusammenhang der Behem zu Jeromer bei Königsgrätz bestehen. Glieder der Familie der Rodow (oder ähnlich) gingen vermutlich als fürstliche Gefolgschaft in das Stammland Böhmen in die Gegend von Jaromer und nahmen den Namen Rodov für ihr Lehen in Böhmen aus ihrer alten Heimat mit.
Andere Mitglieder der Familie kamen vermutlich, wie auch andere Siedler, über die Oberlausitz nach Schlesien. Quelle: u.a. Dr. Gustav Schuberth "Die wichtigsten Erkenntnisse der Chronik von Grossenhain", 1897.
Gustav Freytag vermutete um 1860 in seinen Bildern aus der deutschen Vergangenheit (Band 2,1, S. 375/376), es habe etwa fünf Mal mehr Edelknechte als Ritter gegeben. Für das ausgehende Mittelalter reduzierte er dieses Zahlenverhältnis sogar auf zehn zu eins.
Der niedere Adel, der den größten Teil der Ritter und vor allem der Edelknechte stellte, war nicht nur ein Berufskriegerstand. So waren die mitteleuropäischen Kleinadligen mehr größere Freibauern und Gutsverwalter als Krieger, so dass die Ritterwürde im Alltag entbehrlich war. Ein Edelknecht (auch Armiger, Wepeling oder Wäpeling) war ein adliger, ritterbürtiger, erwachsener, aber noch nicht zum Ritter geschlagener oder mit dem Schwert umgürteter mittelalterlicher Krieger oder Edelmann. Die meisten Angehörigen des niederen Dienstadels mussten aus wirtschaftlichen Gründen auf den Erwerb der Ritterwürde verzichten. Häufig ermöglichte man nur dem ältesten Sohn einer Familie den Ritterstand, seine Brüder mussten Edelknechte bleiben. Für das tägliche Leben hatte dies wenig Bedeutung, allenfalls bei Turnieren wurden Unterschiede zwischen Rittern und Knechten gemacht. Siehe auch in WIKIPEDIA Edelknecht.
Ferner sind die Forschungsergebnisse polnischer Regionalchronisten erwähnenswert, wie zum Beispiel die Ortschronik (in Polnisch) von Czarny Bór/Schwarzwaldau
"Czarny Bór - Historia i wspólczesnosc"
von Ks. Wladyslaw Stepniak (Pfarrer von Schwarzwaldau),
(deutsche Übersetzung)
in der die Behem des 14.Jahrhunderts ausführlich beschrieben werden. Desweiteren ist die Dissertation Dane szczegolowe ksiazki:
studia z historii sredniowiecza (in Polnisch) von Mateusz Golinski erschienen, zum Thema "Was ist im Jahre 1355 im Fürstentum Schweidnitz geschehen?" (in der Frage des Eigentums und der Funktion von Burgen und Schlössern). In dieser Arbeit werden u.a. auch die Behem erwähnt. Studie 1355 Fürstentum Schweidnitz von M. Golinski und
Bericht Golinski (auszugsweise) No. 1 und No. 2. Die Zusammenfassung dazu von Dr.Rudolf: Zum Widerstand von Teilen des Adels gegen Herzog Bolko II.
In meiner Forschung zu den frühen Beheim/Behem konzentriere ich mich auf die Eintragungen in den Landbüchern (Beurkundung von Besitzwechsel, Lehen und Nachlässen u.a.). Auf dieser Grundlage erfolgt dann gegebenenfalls eine Analyse und Interpretation. Alle diese komplexen Gegebenheiten können jedoch nicht in eine simple Theorie erfasst werden. Es werden daher immer unterschiedliche Interpretationen geben.
Im 19.Jahrhundert wurde viel über Burgen und Schlösser geschrieben, oft in Form der Ritterromatik. Wohlhabende Bürger und Bauern konnten jetzt Herrenhäuser/Schlösser und Rittergüter erwerben. Der Adel war jedoch bestrebt, seine gesellschaftliche Position zu halten, sich abzugrenzen und deren Familiengeschichte zu festigen. Alle diese Bestrebungen können heute die Forschung erschweren, da sich manchmal bewusst oder unbewusst Fehler, ja sogar Fälschungen, eingeschlichen haben … und viele Autoren schreiben eben von einander ab. Dazu kamen noch die Zeiten des Nationalsozialismus (Nazi-Propaganda), die der Volksdemokratie (überzogenen Klassenkampf-Theorie) und die offizielle Nachkriegspropaganda Polens (wiedergewonnenen Gebiete) in denen die Geschichte bewusst verzerrt dargestellt wurde.